Abisag Tüllmann, Tochter von Hedwig und Franz Tüllmann († 28. Juli 1945), wurde mit dem bürgerlichen Namen Ursula Eva Tüllmann geboren. Ihre Großeltern mütterlicherseits waren Louise Adele und Isidor Fränkel. Der Großvater, tätig als Kaufmann, entstammte einer jüdischen Familie. Vater Franz Tüllmann, gelernter Friseur, betrieb seit 1928 einen Lesezirkel. Da seine Ehefrau, gelernte Kontoristin, nach nationalsozialistischer Terminologie als „Halbjüdin“ galt, musste der Vater 1937 sein Unternehmen verkaufen. Nach wechselnden Tätigkeiten als Friseur und Arbeiter wurde er 1944 nach Liebau (Schlesien) als Zwangsarbeiter versetzt.[1]
Seit 1946 wohnte Abisag Tüllmann gemeinsam mit ihrer Mutter in Wuppertal, wo sie die Frauenoberschule besuchte, die sie 1952 mit der Mittleren Reife beendete. Von 1952 bis 1953 absolvierte Tüllmann ein Tischlerpraktikum. Von 1953 bis 1955 studierte sie vier Semester Innenarchitektur an der Werkkunstschule in Wuppertal-Vohwinkel. Nach dem Abbruch des Studiums arbeitete sie zunächst als technische Zeichnerin und dann von 1956 bis 1957 in dem Wuppertaler Werbefoto-Unternehmen it copyright, das der Schriftsteller Paul Pörtner leitete.
Im Mai 1961 trat Tüllmann dem Deutschen Journalisten-Verband bei und bezeichnete sich fortan als „Freie Bildjournalistin“. Sie belieferte auch Zeitschriften wie Spiegel, Zeit, Magnum und Publik. In Frankfurt am Main entwickelte sie intensive Kontakte zur Kunst- und Kulturszene. So gehörten zu ihren Freunden die Schriftsteller Hermann Peter Piwitt und Ror Wolf sowie der Grafiker Hans Hillmann. Zugleich wurde die Stadt selbst zu einem Motiv ihrer Arbeit, was ein 1963 erschienener Fotoband dokumentiert, den Hans Michel layoutete. Zudem hatte sie ein großes journalistisches Interesse an Israel und berichtete in zahlreichen Reportagen aus den dortigen Krisenzentren.
Aufgrund einer testamentarischen Verfügung der Künstlerin wurde im September 2008 in Frankfurt am Main die Abisag-Tüllmann-Stiftung gegründet, die mit den Erlösen aus dem Archiv finanziert wird. Neben der Förderung von Publikationen und Ausstellungen des Werkes der Künstlerin will sie auch den künstlerischen Bildjournalismus fördern. Zu diesem Zweck wird ein Abisag-Tüllmann-Preis ausgelobt.
Großstadt. Vorwort Richard Kirn; de./en./fr. Societät, Frankfurt am Main 1963.
Bettina Decke, Abisag Tüllmann: Betrifft: Rhodesien. Unterdrückung und Widerstand in einer Siedlerkolonie. Megapress, Edition Mega, Frankfurt am Main 1974, ISBN 3-87979004-3.
Kursbuch 59 – Bilderbuch. Mit Fotografien von Abisag Tüllmann, Giovanni Rinaldi, Inge Rambow und anderen. Rotbuch, Berlin 1980.
Ulrike May: Betrifft: Abisag Tüllmann. Biografische Notizen. In: Martha Caspers (Hrsg.): Abisag Tüllmann 1935–1996. Bildreportagen und Theaterfotografie. Ausstellung im Historischen Museum Frankfurt. Hatje-Cantz, Ostfildern 2011, S. 243–255.
Kristina Lowis und Christina Stehr: „Was, um Himmels willen, verstehen Sie unter ‚Arbeitsabzug – keine Originale‘?“: Abisag Tüllmanns fotografischer Nachlass im Spannungsfeld zwischen analogem Archiv und digitaler Präsenz. In: Rundbrief Fotografie. 27 (2020), 3, S. 30–41.
Bettina Schulte Strathaus: Abisag Tüllmann (1935, Hagen / Westfalen–1996, Frankfurt). In: Dorothee Linnemann, Katharina Böttger, Ulrike May, Christina Ramsch, Bettina Schulte Strathaus (Hrsg.): Stadt der Fotografinnen. Frankfurt 1844–2024. Begleitbuch zur Ausstellung im Historischen Museum Frankfurt, 29. Mai–22. September 2024, Wienand, Köln 2024 (Schriften des Historischen Museums Frankfurt; 44), ISBN 978-3-86832-759-5, S. 176–179.
Dokumentarfilm
Claudia von Alemann: Die Frau mit der Kamera: Porträt der Fotografin Abisag Tüllmann. 80 Minuten, Deutschland 2011.[3]
Martha Caspers (Hrsg.): Abisag Tüllmann 1935–1996. Bildreportagen und Theaterfotografie. Ausstellung im Historischen Museum Frankfurt. Hatje-Cantz, Ostfildern 2011, ISBN 978-3-7757-2708-2