Die Partei der Humanisten (Kurzbezeichnung: PdH) ist eine 2014 gegründete Kleinpartei in Deutschland. Sie trat 2017 und 2021 zur Bundestagswahl, 2019 und 2024 zur Europawahl sowie ab 2018 zu mehreren Landtagswahlen an.[10] Die Partei hat einen für humanistische Organisationen typischen Fokus auf Säkularisierung und Wissenschaft. Darauf aufbauend hat die Partei zu mehreren bundesweiten Wahlen breit aufgestellte Wahlprogramme veröffentlicht, die auch einen Fokus für technologieoffenen Klimaschutz mit einer Wiedereinführung der Kernkraft erkennen lassen.
Im Frühjahr 2012 entstand in der Facebook-Gruppe „Initiative Humanismus“ das „Manifest der Initiative Humanismus“, das als Grundlage einer humanistischen Partei fungieren sollte. Auf Basis dieses Dokuments wurde die Partei der Humanisten am 4. Oktober 2014 in Berlin gegründet. Der vorläufige Vorstand bestand dabei aus acht Sprechern für verschiedene Themengebiete.[11]
Auf dem ersten ordentlichen Bundesparteitag im März 2015 wurde David Helmus zum ersten Vorsitzenden der Partei gewählt.[12] Als Generalsekretär fungierte Beka Kobaidze, Ioana Hauke übernahm das Schatzmeisteramt. Nach Angaben des Vorsitzenden hatte die Partei im September des gleichen Jahres rund 75 Mitglieder.[13]
Die Gründung des Berliner Landesverbands erfolgte am 2. April 2016.[14] Wenige Monate später wurden die Landesverbände Hessen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg gegründet.[15][16] Kurz darauf wurde im Februar des Folgejahres auch der Landesverband Bayern gegründet.[17]
Bei der Bundestagswahl 2017 nahm die Partei der Humanisten das erste Mal an einer Wahl teil, wobei sie zunächst nur in Nordrhein-Westfalen wählbar war. Hierfür wurden in der mittlerweile rund 600 Mitglieder starken Partei verschiedene Teams zur innerparteilichen Organisation gegründet.[18] Bei der Wahl erhielt die Partei 5.991 Zweitstimmen.[19]
Nach der Bundestagswahl erhielt die Partei einen Zustrom neuer Mitglieder. Infolgedessen wurden noch im selben Jahr Landesverbände in Hamburg und Niedersachsen, sowie 2018 Landesverbände in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, Bremen und Schleswig-Holstein gegründet.[20][21]
Im Januar 2019 wurde Steven Pinker in den Beirat der Partei der Humanisten aufgenommen. Einen Monat später, im Februar 2019, wurde Michael Shermer, Gründer der amerikanischen Skeptics Society, ebenfalls Angehöriger des Beirats.[22][23]
Die Partei der Humanisten wurde am 15. März 2019 zur Europawahl zugelassen, an der sie mit dem Spitzenkandidaten Robin Thiedmann teilnahm. Sie erreichte dabei 0,2 % bei 62.604 Stimmen, verpasste aber den Einzug ins EU-Parlament.[24]
Im Jahr 2021 wurden die letzten vier Landesverbände, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Saarland gegründet.[25][26] Kurz nach der Gründung des Landesverbands Brandenburg feierte die Partei ihre neue Größe von 1800 Mitgliedern.[27] Angesichts der COVID-19-Pandemie wurde am 29. Januar und 20. Februar 2022 der erste digitale Bundesparteitag abgehalten.
Im April 2023 wurde der 19-Jährige Lasse Schäfer zum neuen Bundesvorsitzenden gewählt. Er war damit zu der Zeit der jüngste Parteivorsitzende Deutschlands.[28]
Auf dem ordentlichen Bundesparteitag in Jena am 13. und 14. Juli 2024 wurde Felicitas Klings zur neuen Bundesvorsitzenden der PdH gewählt. Lasse Schäfer trat nicht erneut für einen Posten im Bundesvorstand an. Sascha Klughardt übernahm den Posten des Generalsekretärs für den Bundesverband und Narek Avetisyan wurde zum Schatzmeister gewählt.[29]
Politische Einordnung
Die Partei der Humanisten (PdH) beruft sich mit ihrer Politik auf den evolutionären Humanismus. Auf ihrer Website bezeichnet sie sich als „rational-liberale Partei der Moderne“.
Die Partei der Humanisten hat eine Unvereinbarkeitsliste. Dies soll nach eigenen Angaben Probleme mit extremistischen Mitgliedern, wie sie z. B. die Piratenpartei gehabt habe, unterbinden.[30] Unter anderem sind die AfD, JA, Pegida, sogenannte Reichsbürger sowie Die Linke, Antifa-Bewegungen und Querdenker-Gruppierungen auf dieser Liste. Aber auch religiöse Gruppen wie die Zeugen Jehovas, Opus Dei oder Salafisten können vom Parteibeitritt ausgeschlossen werden.[31]
Eine Kernforderung der Partei ist die Trennung zwischen Staat und religiösen Institutionen.[32] Zudem sollen der Gottesbezug und andere religiös begründete Sonderrechte aus dem Grundgesetz, den Landesverfassungen und sonstigen Gesetzen gestrichen werden. Verbrechen kirchlicher Institutionen, wie der massenhafte Kindesmissbrauch, sollen restlos aufgeklärt und strafrechtlich verfolgt werden.[33] Die PdH stellt sich gegen jeden religiösen Extremismus und kritisiert die Blindheit entscheidender politischer Akteure im Umgang mit dem erstarkenden Islamismus in Deutschland.[34]
EU und Militär
Die PdH verfolgt die Vision einer Errichtung eines Föderalen Europäischen Bundesstaates mit einer Europäischen Verfassung. An die Stelle von Nationalstaaten sollen starke, sich selbst verwaltende Regionen treten (vgl. Eurotopia).[35] Ein verpflichtendes Dienstjahr für Schulabgänger wird abgelehnt.[36] Eine Zivilklausel, die an einigen deutschen Universitäten Forschung zu eindeutig militärischen Zwecken ausschließt, sieht die Partei kritisch.[37] Grundsätzlich soll auf längere Sicht eine EU-Armee[38] etabliert werden.
Wirtschaft
Die PdH bekennt sich zur Sozialen Marktwirtschaft.[39] Sie möchte zudem das Steuersystem durch kontinuierlichen Abbau von Ausnahme- und Sonderregelungen vereinfachen und Subventionen abbauen. Der Atomausstieg wird als Fehler betrachtet und es wird der Bau neuer Kernreaktortypen zur Bekämpfung des Klimawandels gefordert.[40] Dieser wird als große Herausforderung angesehen und es werden verschiedene Maßnahmen der Adaption und Mitigation[41] gefordert. Die Humanisten möchten die Ladenöffnungszeiten deregulieren. Langfristig soll ein universelles Grundeinkommen[42] eingeführt werden.
Migration und Integration
Die Partei lehnt Obergrenzen bei der Aufnahme von Flüchtlingen ab und bekennt sich klar zum Recht auf Asyl, zur Genfer Flüchtlingskonvention und zum Recht auf subsidiären Schutz. Zugleich betont sie die Bedeutung streng kontrollierter EU-Grenzen zur Eindämmung illegaler Einwanderung. Zur Sicherheit der Gesellschaft wird die Ausweisung von wiederholt oder schwerwiegend straffällig gewordenen Migranten gefordert. Drohen ihnen in ihrem Heimatland Verfolgung oder menschenrechtsverletzende Bestrafungspraktiken wie Folter, soll jedoch keine Ausweisung erfolgen. Die europäische Flüchtlingspolitik soll in einer zentralen Behörde koordiniert werden. Migranten sollen soweit es geht Chancengleichheit in der Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt erhalten. Im Gegenzug wird Integrationsbereitschaft sowie die Anerkennung europäischer, humanistischer Grundwerte gefordert.[43]
Selbstbestimmung über den eigenen Körper
Die PdH befürwortet die Legalisierung von Leihmutterschaft[44], die völlige Gleichstellung von Sexarbeit in Anlehnung an das neuseeländische Modell[45] sowie die Legalisierung von Abtreibungen unabhängig von einer Schwangerschaftswochen-Frist in Anlehnung an das kanadische Modell.[46]
Die Partei setzt sich für einen Schutz von Kindern vor nicht notwendigen körperlichen Eingriffen ein. So wird die Aufhebung der Legalisierung der medizinisch nicht notwendigen Beschneidung männlicher Kinder in § 1631d BGB gefordert.[47]
Gesundheit und Ernährung
Die PdH fordert, dass die Krankenkassenleistungen ausschließlich Maßnahmen evidenzbasierter Medizin mit wissenschaftlich nachgewiesener Wirksamkeit umfassen sollen. Die privaten Vollkrankenversicherungen sollen abgeschafft und somit das System der Zweiklassenmedizin beendet werden.[48] Die Partei strebt die Legalisierung von aktiver Sterbehilfe[49] an. Zudem wird die Legalisierung aller Drogen befürwortet, jedoch nur für Erwachsene und kombiniert mit gesteigerter Aufklärung, sowie Produktion und Verkauf nur unter staatlicher Kontrolle.[50] Die PdH steht für technologischen Fortschritt und Offenheit gegenüber Technologien wie Gentechnik oder Stammzellenforschung.[51] Der Antibiotika-Einsatz in der Massentierhaltung soll drastisch gesenkt werden zur Vermeidung von Resistenzen.[52] Die PdH hält an Tierversuchen in der Grundlagenforschung fest, möchte jedoch grundsätzlich auf alternative Methoden zurückgreifen, sofern diese verfügbar sind.[53][54] Die Humanisten streben die Förderung der Erforschung von In-vitro-Fleisch[55] an.
Menschen als Individuen
Im Leitbild der PdH wird betont, dass „humanistische Politik dem Menschen und keinen Religionen, Ideologien, Dogmen oder Kollektiven dient. Sie richtet sich nicht nach Gruppenidentitäten, sondern sichert die Interessen jedes einzelnen Mitglieds der Gesellschaft.“[56]
Die Humanisten lehnen Geschlechterquoten ab, insbesondere in Bezug auf das Gesetz zur Wahllistenparität in Brandenburg.[57]
Bei der Bundestagswahl 2021 trat die Partei in allen Bundesländern bis auf das Saarland mit Landeslisten an.[69] Zudem waren 26 Direktkandidaten aufgestellt. Sie erreichte bundesweit 47.838 Stimmen, was 0,1 % entspricht.[70]
Bei der Landtagswahl in Hessen 2023 entfielen 4.265 Stimmen auf die Partei, was 0,2 % der gültigen Stimmen entsprach. Zur Landtagswahl in Bayern 2023 entfielen 14.022 Stimmen auf die Partei, was 0,1 % der gültigen Stimmen entsprach.
Die PdH nahm an der Europawahl 2024 teil und erhielt 82.275 Stimmen (0,2 %), etwa 20.000 mehr als fünf Jahre zuvor.[71] Die PdH versprach in ihrem Wahlprogramm einen neuen Politikstil für Europa, bei dem Experteneinschätzungen stärker berücksichtigt werden sollten[72].
↑Wahl-O-Mat Europawahl 2019: Vergleich der Positionen. Bundeszentrale für politische Bildung (BpB). Auf Wahl-o-mat.de (PDF; 566 kB), abgerufen am 7. November 2020.
↑Was heißt unvereinbar? Zur Unvereinbarkeitsliste: Was bedeutet unvereinbar. 7. Mai 2019. Partei der Humanisten. Auf DieHumanisten.de, abgerufen am 7. November 2020.
↑Olga Herzog: Partei der Humanisten. In: Wer steht zur Wahl? – Hamburg 2020. 23. Januar 2020. Bundeszentrale für politische Bildung (BpB). Auf BpB.de, abgerufen am 7. November 2020.