Die Leittechnik fasst die Datenströme der untergeordneten Ebenen, dem Feld oder einzelner Zellen, wie zum Beispiel Signale der Mess-, Steuer- und Regelungstechnik zusammen, um dadurch den gesamten Fertigungsprozess zu steuern und zu überwachen.
Die Leittechnik findet in Form eines Leitsystems ihren Platz im Leitstand eines Betriebes.
In der Automatisierungspyramide gehört das Leitsystem zur Leitebene. Der Begriff Leittechnik wird aber weiter gefasst und umfasst auch die Steuerungs- und Betriebsleitebene, zum Teil auch die Feldebene.[1]
Leittechnik in unterschiedlichen Anwendungsbereichen
Der Begriff Leittechnik wird in unterschiedlichen Anwendungsbereichen angepasst genutzt. Dabei wird der Begriff Leittechnik zumeist als Sammelbegriff für folgende drei Bereiche gesehen:
Feldebene
Steuerungsebene
Managementebene
Zusätzlich umfassen die Begriffe anwendungsspezifische Aspekte.
„Leiten zweckmäßige Maßnahmen an oder in einem Prozess, um vorgegebene Ziele zu erreichen“
– DIN IEC 60050-351:2009-06, 351-21-29
Die IEC 60050 beschreibt die Leitebene als „Gesamtheit aller Leiteinrichtungen gleichen Rangs in einer Leithierarchie“ und definiert einige Ebenen und erwähnt weitere in Beispielen. Zusammen ergibt sich die Ebenenstruktur wie im UML-Klassendiagramm dargestellt. In den Anwendungen können einzelne Ebenen entfallen.
Als typische Anwendungsbeispiele der Leittechnik werden genannt:
Produktionsleittechnik
Verfahrensleittechnik
Fließprozesse
Chargenprozesse
Fertigungsleittechnik
Stückgutprozesse
Stückgutprozesse Werkstattfertigung
Kraftwerksleittechnik
Netzleittechnik
Gebäudeleittechnik
Verkehrsleittechnik
Kommunikationsleittechnik
Relevante Normen
Zahlreiche Normen sind für die Leittechnik von Bedeutung. Hier einige Beispiele:
Norm
Titel
ATV-DVWK-M 253
Automatisierungs- und Leittechnik auf Abwasseranlagen
CLC/TR 61158
Digitale Datenkommunikation in der Leittechnik – Feldbus für industrielle Leitsysteme
DIN 19223 (zurückgezogen)
Leittechnik – Regeln für die Benennung von Messgeräten – 6.2009 ersetzt durch DIN EN 62419
DIN 19226 (zurückgezogen)
Leittechnik; Regelungstechnik und Steuerungstechnik – 6.2009 ersetzt durch DIN IEC 60050-351
DIN 19227-1 (zurückgezogen)
Leittechnik; Graphische Symbole und Kennbuchstaben für die Prozessleittechnik – 1.2010 ersetzt durch DIN EN 62424
DIN 43735
Leittechnik – Elektrische Temperaturaufnehmer für Widerstandsthermometer und Thermoelemente
DIN 43772
Leittechnik – Metall-Schutzrohre und Halsrohre für Maschinen-Glasthermometer, Zeigerthermometer, Thermoelemente und Widerstandsthermometer – Masse, Werkstoffe, Prüfung
DIN 44030
Leittechnik; Lichtschranken und Lichttaster
DIN V 19222 (zurückgezogen)
Leittechnik – Begriffe – 6.2009 ersetzt durch DIN IEC 60050-351
DIN V 19233 (zurückgezogen)
Leittechnik – Prozessautomatisierung – Automatisierung mit Prozessrechensystemen, Begriffe – 6.2009 ersetzt durch DIN IEC 60050-351
DIN V 19247 (zurückgezogen)
Leittechnik – Einrichtung für den Sauerstoffeinsatz in der Prozesstechnik
DIN V 19249
Leittechnik – Sicherheit von nichtelektrisch betriebenen Geräten, Einrichtungen und Systemen und nichtelektrischen Geräteteilen von elektrisch betriebenen Geräten – Allgemeine Anforderungen
DIN VDE 0119
Zustand der Eisenbahnfahrzeuge – Leittechnik
EN 45510
Leitfaden für die Beschaffung von Ausrüstungen für Kraftwerke
Bereits in den 1950er Jahren wurden erste leittechnische Einrichtungen mittels Relaistechnik und Analogtechnik realisiert und für Regelung, einfache Steuerungstechnik und Fernsteuerung eingesetzt. Diese wurden zum Teil an Schalttafeln bedient.
In den 1960er Jahren lösten verbindungsprogrammierte elektronische Steuerungen zunehmend die Relaistechnik ab und es wurden Prozessrechner, vor allem der Firma DEC aus der Serie PDP, für leittechnische Aufgaben benutzt. Zu dieser Zeit kamen Mosaikschaltwarten für größere fest verdrahtete Leuchtschaltbilder für den Handbetrieb zum Einsatz, die leichter bei Anlagenumbauten angepasst werden können.
Mit dem Aufkommen von speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS) in den 1970er Jahren, wurden einfache Steuerungsaufgaben vom Prozessrechner auf diese verlagert. In den 1980er und 1990er Jahren ersetzten SPS den Prozessrechner in der Steuerungsebene immer mehr.
In den 1980er Jahren verdrängten zusätzlich UNIX-Lösungen, vor allem auf Basis System V, spezielle Prozessrechnerlösungen in den überlagerten Ebenen.
Die Normung des Ethernet (z. B. OSI-Modell) verhalf diesem zum Durchbruch in der Leittechnik. Ab Mitte der 1980er Jahre wird Ethernet zunehmend zur Vernetzung von SPS und Leitrechnern benutzt.
Personal Computer waren ursprünglich nicht für den Leittechnikeinsatz gedacht, drangen aber als Industrie-PC-Ausführung Ende der 1980er und in den 1990er Jahren in die Leittechnik ein. Dieser Trend verstärkte sich mit der Einführung von Microsoft Windows NT und setzt sich bis heute fort, konnte aber nicht die SPS verdrängen, obwohl dies von einigen Fachleuten vorhergesagt wurde. Im gleichen Zeitraum wurden Feldbusse entwickelt, die zu einer erheblichen Kostenreduzierung in der Feldverdrahtung führten und sich deshalb schnell durchsetzten.
In den 1990er Jahren begann die Vernetzung der Leittechnikinseln untereinander und mit anderen EDV-Systemen. Deshalb haben offene Standards zum Datenaustausch, wie z. B. OPC, eine große Bedeutung gewonnen. Für die Vernetzung der Leitsysteme, auch mit anderen EDV-Systemen, hat sich TCP/IP als Kommunikation weitgehend durchgesetzt.
Diese Trends setzten sich nach 2000 fort und haben die Anforderung an Interoperabilität und Plattformunabhängigkeit verstärkt, was zu weiteren Standardisierungsbemühungen (z. B. PROFINET, Ethernet für die Vernetzung in der Feldebene) und serviceorientierten Ansätzen in der Leittechnik geführt hat.
↑Olof Leps: Der Aufbau von Betriebs- und Steuerungsanlagen. In: Hybride Testumgebungen für Kritische Infrastrukturen. Springer Vieweg, Wiesbaden 2018, ISBN 978-3-658-22613-8, S.25–39, doi:10.1007/978-3-658-22614-5_3.