Eyasi 1Eyasi 1 ist die Bezeichnung für einen teilweise erhaltenen homininen Schädel einer vermutlich erwachsenen Frau, der am 29. November 1935 als Oberflächenfund am Rande des Eyasisees im Norden Tansanias von Ludwig Kohl-Larsen geborgen wurde. Der Schädel war in zahlreiche Einzelteile zerbrochen, jedoch konnten insbesondere der hintere Bereich des Schädeldachs verlässlich sowie die vorderen und seitlichen Knochen mit Lücken zwischen ihnen rekonstruiert werden. Außerdem wurden mehrere Zähne entdeckt. Der Schädel ist neben den Fossilien Ndutu 1, Bodo 1 und Florisbad 1 einer von bislang sehr wenigen Belegen für den evolutiven Übergang von Homo erectus zu Homo sapiens. Verwahrort des Schädels ist das Institut für Ur- und Frühgeschichte der Eberhard Karls Universität Tübingen. Historische NamensgebungenBereits 1935 – vor einer detaillierten Beschreibung durch seinen Entdecker – benannte Thomas F. Dreyer den Schädel im Zusammenhang mit einem eigenen Fund, dem Fossil Florisbad 1, als „Africanthropus“.[1] 1936 bezeichneten Hans Reck und Kohl-Larsen den Schädel als „Palaeoanthropus njarasensis“,[2] wobei das Epitheton njarasensis auf den Fundort im damals so genannten Njarasa-Graben verweist, in dem auch der Eyasisee liegt, der damals als Njarasasee bezeichnet wurde. 1939 benannte Hans Weinert den Fund „des ersten Affenmenschen aus Ostafrika“ in „Africanthropus njarasensis“ um,[3] was in Einklang steht mit den Internationalen Regeln für die Zoologische Nomenklatur, da der gültige Name eines Taxons stets der älteste verfügbare Name ist, für diesen Fund also die Gattungs-Bezeichnung „Africanthropus“ mit dem Fossil Eyasi 1 als Holotypus. Funde und ArtzugehörigkeitAußer dem Schädel Eyasi 1 wurden in den 1930er-Jahren von Kohl-Larsen das Bruchstück eines weiteren Hinterhauptbeins (Eyasi 2) sowie mehrere kleinere Schädel-Bruchstücke und einzelne Zähne (Eyasi 3) entdeckt. 1993 wurde schließlich ein weiteres, teilweise erhaltenes Hinterhauptbein („Eyasi IV“ = Eyasi 6) entdeckt;[4] Eyasi 4 und Eyasi 5 sind zwei Unterkiefer-Bruchstücke.[5] Die 1996 veröffentlichte Beschreibung des Fossils Eyasi 6 referierte mehrere Studien, in denen das Alter der geologischen Formationen im Bereich der Fundstelle analysiert wurde, und kam zu dem Schluss, dass alle Schädelfunde rund 200.000 bis 300.000 Jahre alt sind und aus diesem Grund sowie wegen der Beschaffenheit der Schädelknochen dem frühen anatomisch modernen Menschen (Homo sapiens) zuzuschreiben sind. Erik Trinkaus stimmte dieser Zuschreibung im Jahr 2004 zu[6] und verwies zusätzlich auf Steinwerkzeuge aus dem Middle Stone Age, die im Umkreis der Fossilienfunde aufgesammelt wurden. Für Irritationen hatte Anfang der 1980er-Jahre eine Datierung der Funde durch Reiner Protsch gesorgt,[7] der ihnen ein weitaus höheres Alter zugeschrieben und sie als Homo rhodesiensis eingeordnet hatte. Der US-amerikanische Archäologe Michael James Mehlman kritisierte dessen Veröffentlichung 1984 wegen „schwerwiegender Inkonsistenzen in den Daten“ als „Falschdarstellung“ und publizierte so erste Hinweise auf wissenschaftliches Fehlverhalten (insbesondere frei erfundene Datierungen von Fossilien), das Jahre später zu Strafanzeigen gegen Protsch, zu einer Verurteilung wegen Unterschlagung und Urkundenfälschung sowie zur Schließung des Frankfurter Instituts für Anthropologie und Humangenetik für Biologen führte.[8] Literatur
Belege
Koordinaten: 3° 32′ 26″ S, 35° 16′ 5″ O |