Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa). Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C
1,3-DCP entsteht bei der Einwirkung von Chloridionen auf Lipidbestandteile von Lebensmitteln bei unterschiedlichen Bedingungen, wie bei der Zubereitung, beim Kochen und bei der Lagerung.[6]
Der Säurehydrolyseprozess, den viele Hersteller von Sojasaucen verwenden, führt neben der Entstehung von 3-Chlor-1,2-propandiol (3-MCPD) immer auch zu 1,3-Dichlor-2-propanol. Für 3-MCPD wurde vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) einen Grenzwert in Lebensmitteln festgelegt, nicht aber für 1,3-DCP. Nach Aussage einiger Wissenschaftler soll 1,3-DCP Krebs auslösen können. Dieser kann in betroffenen Geschlechtszellen an nachfolgende Generationen, die niemals der Chemikalie ausgesetzt waren, weitergegeben werden.[7]
Außer in Sojasaucen wurde 1,3-DCP auch in säurebehandelten Pflanzenproteinzubereitungen, sowie in einer Vielzahl von Fisch- und Fleischerzeugnissen gefunden.[6]
Gewinnung und Darstellung
In einer frühen Veröffentlichung[8] wird Glycerin mit Dischwefeldichlorid in 62%iger Ausbeute zum 1,3-Dichlor-2-propanol umgesetzt.
Der Prozess ist wegen der unangenehmen Eigenschaften von S2Cl2 nur von historischem Interesse.
Die Synthese auf Basis von Glycerin wurde das erste Mal von Marcellin Berthelot beschrieben[9]. Dies geschah im Rahmen seiner Forschungen zu Reaktionen zwischen Glycerin und gasförmigem Chlorwasserstoff. Für eine praktische Umsetzung eignet sich eine Patentschrift aus dem Jahr 1912.[10]
Für ein großtechnisches industrielles Verfahren eignet sich aber nur eine kontinuierliche Prozessführung.[11] Hierbei wird die Hydrochlorierung von Glycerin statt mit Essigsäure mit Adipinsäure als Katalysator bei 130 °C durchgeführt und bei praktisch vollständigem Glycerin- und HCl-Gasumsatz in einer Gesamtausbeute von 93 % überwiegend 1,3-Dichlor-2-propanol neben ca. 3 % 2,3-Dichlorpropan-1-ol erhalten.
Die Umsetzung (Veresterung) von Glycerin mit Chlorwasserstoff in Gegenwart einer organischen Säure als Katalysator umfasst mehrere Gleichgewichtsreaktionen, wie z. B. Monochlorierung, Dichlorierung, Etherbildung zum Diglycerin,[S 1] Chlorierung von Diglycerin, Esterbildung mit dem Säurekatalysator usw.[11][12], die Ausbeuteverluste an 1,3-DCP bei nicht optimierten Prozessen verursachen.
Eigenschaften
1,3-Dichlor-2-propanol ist eine farblose, schwer entzündbare Flüssigkeit mit phenolartigem Geruch, die leicht löslich in Wasser ist. Sie zersetzt sich bei Erhitzung, wobei Chlorwasserstoff und Phosgen entstehen können.[1]
Verwendung
1,3-DCP findet wegen seiner toxikologischen Eigenschaften keine Verwendung mehr als Lösungsmittel und zur Textilveredelung.
Das in den USA als Nematizid zur Bodenbehandlung (englischsoil fumigant) verwendete 1,3-Dichlorpropen ist aus 1,3-Dichlor-2-propanol durch Wasserabspaltung zugänglich.
Mit dem rasanten Anstieg preisgünstiger Mengen von Glycerin aus der Biodiesel-Produktion in den 1990er-Jahren wurde 1,3-Dichlor-2-propanol als Zwischenstufe zu „Bio-Epichlorhydrin“ (engl. glycerol-to-epichlorohydrin GTE) wieder interessant.[13][14]
Die optimierten Verfahren, wie u. a. in[11] beschrieben und z. B. als Epicerol®-Technologie (Solvay), GTE process (DOW) oder EPIPROVIT (KVT) kommerzialisiert, wurden in mehreren Großanlagen (>100,000 jato Kapazität) in Asien umgesetzt und sollen eine um 60 % geringere CO2-Bilanz (engl. carbon footprint) als der petrochemische Prozess über Allylchlorid haben.[15] Sowohl der Reaktionsmechanismus[16][17][18] als auch die Optimierung großtechnischer Verfahren[19] sind Gegenstand der aktuellen Forschung.
Sicherheitshinweise
Bei einer akuten Vergiftung tritt eine starke Reizung der Schleimhäute, insbesondere der Augen auf. Weiterhin sind gastrointestinale Störungen, eine Leberschädigung und Nierenfunktionsstörungen möglich. Der Stoff sollte als kanzerogen für den Menschen angesehen werden. In einer Trinkwasserstudie über 102 Wochen an Ratten fand man in den höchsten Dosisgruppen (bis 30 mg/kg Körpergewicht) erhöhte und in den beiden anderen Dosisgruppen leicht bzw. nicht erhöhte Inzidenzen an malignen Neubildungen verschiedener Lokalisation (Leber, Niere, Zunge, Mundhöhle, Schilddrüse).[1]
↑David R. Lide (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 90. Auflage. (Internet-Version: 2010), CRC Press / Taylor and Francis, Boca Raton FL, Standard Thermodynamic Properties of Chemical Substances, S. 5-24.
↑ abG. Williams, J.-C. Leblanc, R.W. Setzer: Application of the margin of exposure (MoE) approach to substances in food that are genotoxic and carcinogenic Example: (CAS No. 96-23-1) 1,3-Dichloro-2-propanol (DCP). In: Food Chem. Toxicol. Band48, 2010, S.S57–S62, doi:10.1016/j.fct.2009.10.038.
↑Junelyn S. de la Rosa: Is your soy sauce safe? In: Bureau of Agricultural Research Chronicle. Band 5, Nr. 5, Mai 2004, S. 1–31 (gov.ph).
↑Berthelot, Marcellin: Sur les combinaisons de la glycérine avec les acides et Sur la synthèse des principes immédiats des graisses animaux. In: Annales de chimie et de physique. Nr.41, 1854, S.216–319.
↑Patent DE197308: Verfahren zur Darstellung von Mono- und Dichlorhydrin aus Glycerin und gasförmiger Salzsäure. Angemeldet am 20. November 1906, veröffentlicht am 16. April 1908, Anmelder: C.F. Boehringer & Söhne.
↑ abcPatent EP1760060A1: Process for preparing dichloropropanol from glycerol. Angemeldet am 18. November 2004, veröffentlicht am 7. März 2007, Anmelder: Solvay S.A., Erfinder: P. Krafft, P. Gilbeau, B. Gosselin, S. Claessens.
↑M. Pagliano, M. Rossi: The future of glycerol: New usages for a versatile raw material. RSC Green Chemistry Series, Cambridge 2008, ISBN 978-1-84973-046-4, S.47–53.
↑B.M. Bell et al.: Glycerin as a renewable feedstock for epichlorohydrin production. The GTE process. In: CLEAN – Soil, Air, Water. Band36, Nr.8, 2008, S.657–661, doi:10.1002/clen.200800067.
↑Diogo Nogueira, Ricardo R. Oliveira, Alexandre B. Rocha: Glycerol chlorination reaction mechanism. In: International Journal of Chemical Kinetics. Band53, Nr.3, März 2021, S.369–378, doi:10.1002/kin.21449.
↑Ananias Medina, Javier Ibáñez Abad, Pasi Tolvanen, Johan Wärnå, Kari Eränen, Tapio Salmi: Recent advances in glycerol hydrochlorination: Impact of reaction temperature, hydrogen chloride solubility and reaction intermediates. In: Chemical Engineering Science. Band263, Dezember 2022, S.118064, doi:10.1016/j.ces.2022.118064 (elsevier.com [abgerufen am 7. Januar 2025]).
↑Ananias Medina, Javier Ibáñez Abad, Pasi Tolvanen, Cesar de Araujo Filho, Tapio Salmi: Revisiting the Kinetics and Mechanism of Glycerol Hydrochlorination in the Presence of Homogeneous Catalysts. In: Industrial & Engineering Chemistry Research. Band61, Nr.37, 21. September 2022, S.13827–13840, doi:10.1021/acs.iecr.2c01805.
↑Philipp Adrian Baum, Martin Gerlach, Christof Hamel: Modeling an Industrial Hydrochlorination of Glycerol – A Systematic Study of Basic Reactor Types. In: Chemie Ingenieur Technik. Band96, Nr.12, Dezember 2024, S.1545–1561, doi:10.1002/cite.202400111.